Gemeinsam für den Artenschutz

Nicht nur im Allwetterzoo leben Pátzcuaro-Querzahnmolche, auch Dumérils Querzahnmolch genannt. Diese Aufnahme stammt aus dem Schulzoo des Gymnasium Johanneum in Ostbevern.

Eine Gruppe wird, wenn es um Natur- und Artenschutz geht, ebenfalls viel zu oft vernachlässigt: die Amphibien. Aber auch Schildkröten und Reptilien sind, von einigen markanten Arten abgesehen, nie im Fokus dieser Debatten. „Das wollen wir von Citizen Conservation ändern – und das zugleich auf mehreren Ebenen“, sagt Heiko Werning von Citizen Conservation c/o Frogs & Friends e.V. „Der Kampf gegen das Artensterben ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Zeit läuft. Aus diesem Grund haben wir eine Plattform geschaffen, bei der jeder mitmachen und seinen zählbaren Beitrag leisten kann."

Citizen Conservation ist ein Netzwerk von hauptberuflichen und privaten Tierhaltern. Nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand gemanagte Zuchtprogramme

treffen auf die Bereitschaft von Menschen, sich aktiv am Erhalt der Biodiversität zu beteiligen. „Citizen Conservation (CC) macht Bürger zu Artenschützern, leitet an, begeistert, motiviert zur Teilnahme und bringt die Kompetenzen aller zusammen, um einen spürbaren Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt zu leisten“, wirbt Dr. Philipp Wagner, Kurator für Forschung und Artenschutz im Allwetterzoo Münster. Sowohl beruflich, als auch privat ist er in CC aktiv. „Zum einen halte ich privat Tiere von CC, zum anderen leben bei uns im Allwetterzoo Pátzcuaro-Querzahnmolche, auch Dumérils Querzahnmolch genannt, für die ich als Kurator die Verantwortung habe.“

Der "Arche-Zoo" in der Schule

Der Pátzcuaro-Querzahnmolch kommt in der Natur nur in einem einzigen Gewässer vor. Der See, der den Molchen auch ihren Namen gab, liegt in einer Höhe von 1.920 Metern im zentralmexikanischen Bundesstaat Michoacán. „Es ist ein spannendes Tier. Umso mehr freue ich mich, dass wir in unserem Arche-Zoo diese nahen Verwandten der Axolotl halten können“, sagt Dr. Thorsten Pickel. Er ist Biologielehrer am Gymnasium Johanneum in Ostbevern – landläufig einfach „Die Loburg“ genannt. „Als ich vor rund neun Jahren hier angefangen habe, war mir schnell klar, dass ich den Schülern nicht nur Theorie, sondern auch praktisch etwas vermitteln will“, erinnert sich der promovierte Biologe.

Angefangen hat alles mit Hausmäusen. „Durch mein Studium der Verhaltensbiologie bei Professor Norbert Sachser an der Westfälische Wilhelms-Universität Münster konnte ich über seinen Lehrstuhl die ersten Terrarien und andere Tierbehausungen für die Schule beziehen“, erinnert er sich und erklärt, dass es ihm nicht um die Zuschaustellung der Tiere geht. Viel mehr dienen die Tiere zur Beobachtung und Beschreibung, zu Untersuchung biologischer Fachinhalte, zum Wecken naturwissenschaftlichen Interesses. Auch können mit ihnen Ekel, Vorurteile und Ängste abgebaut werden. „Zudem fördert der Umgang mit ihnen den Respekt vor Lebewesen, den Aufbau emotionaler Bindungen, das Verantwortungsbewusstsein und sensibilisiert für die Bedürfnisse der Tiere an eine tiergerechte Haltung.“ Schnell folgten weitere Tiere. „Als nächstes kamen Stabschrecken und Madagaskar-Fauchschaben. Also Tiere, die leicht in der Haltung, aber spannend und irgendwie auch ein bisschen exotisch sind.“ Es folgten weitere Aquarien mit Süßwasserfischen sowie Terrarien. „Das war der Grundstein für unsere heutige kleine „Loburger Arche“. Dabei konnte ich mich von Anfang an auf die Unterstützung des Fördervereins, der Schulleitung sowie der Kolleginnen und Kollegen und auch auf unsere Hausmeister verlassen. Letztere waren immer mit viel Elan und Kreativität dabei, wenn es darum ging, Platz für neue Terrarien zu schaffen, bzw. die Technik dafür unterzubringen.“

Ein Schulzoo bedeutet immer viel Zeitaufwand – auch in der unterrichtsfreien Zeit am Wochenende sowie in den Ferien. Von der ersten Stunde an war es deswegen ein Anliegen, möglichst viele Schülerinnen und Schüler aktiv in das Projekt einzubinden. „Es war ein grandioser Start. Die damals gegründete Zoo-AG erfreute sich von Anfang an größter Beliebtheit“, blickt Pickel zurück. Doch nicht nur seitens der Schülerschaft gab es viel Anerkennung. „2016 haben wir mit dem Projekt sogar den 1. Platz bei dem Schülerpreis für ausgezeichnete MINT-Projekte der Adelheit Windmöller Stiftung gewonnen.“

Mit Mäusen fing alles an. Mittlerweile gibt es verschiedenste Tiere im Schulzoo des Gymnasium Johanneum.

Dr. Thorsten Pickel mit einem Schüler vor dem Terrarium der Knochenkopfkröten. Um die Tiere in der Unterichtsfreien Zeit zu versogen, gibt es eine Zoo-Ag.

Insgesamt leben drei Knochenkopfkröten im Schulzoo. Die Tiere sind teil des Artenschutzprogramms von Citizen Conservation.

Citizen Conservation

Die neuesten Tierarten im Schulzoo „Loburger Arche“ gehen über die üblichen Verdächtigen hinaus. Dazu zählen unter anderem zwei Madagaskar-Taggeckos. Aber auch Tiere, die Teil des Artenschutzprogramms von Citizen Conservation sind, leben in Ostbevern. „Bereits vor dem Lockdown bezogen drei Knochenkopfkröten ihre Terrarien. Kürzlich kamen noch drei Pátzcuaro-Querzahnmolche hinzu“, benennt der Loburger Lehrer die neuen Tierarten. „Da Knochenkopfkröten und Pátzcuaro-Querzahnmolche vor allem aufgrund der Zerstörung ihrer Lebensräume zu den gefährdeten Tierarten gehören, können wir mit ihrer Hilfe unsere Schülerinnen und Schüler auch besser für solche Themen sensibilisieren.“

Die Knochenkopfkröten des Arche-Zoos stammen aus einer Nachzucht des Kölner Zoos, die Pátzcuaro-Querzahnmolche aus der Zucht eines privaten Halters. „Dabei hätte ich mich ganz besonders darüber gefreut, wenn die Molche aus dem Allwetterzoo gekommen wären, verbindet mich doch viel mit dieser besonderen Institution“, so Dr. Thorsten Pickel, der privat begeisterter Herpetologe und Fan des Münsteraner Zoos ist. Denn mit ihm verbindet ihn, dass er dort während seiner Studienzeit als Zooführer gearbeitet hat. Auch war es sein Stachelschwanzwaran Weibchen, das mit dem im Allwetterzoo lebenden Männchen vergesellschaftet worden war. „Voraussichtlich werden über Citizen Conservation demnächst auch noch die gefährdeten Mallorca-Geburtshelferkröten in unseren Schulzoo einziehen. Damit macht die Loburger Arche mit der Unterstützung von Artenschutzprojekten ihrem Namen alle Ehre – und dann schließt sich auch endlich der Kreis zum Allwetterzoo“, freut er sich schon.

Im Allwetterzoo Münste werden erfolgreich Pátzcuaro-Querzahnmolche gezpüchtet.

Im Januar 2021 gab es Nachwuchs bei den Dumérils Querzahnmolchen.

Eine Zusammenarbeit mit Geschichte

Aktuell leben die Geburtshelfer Kröten noch nicht direkt im Allwetterzoo Münster. „Die Tiere werde ich zuerst privat bei mir zu Hause in Westbevern halten. Sie sollen in Zukunft aber eventuell auch im Allwetterzoo zu sehen sein. Ein Teil geht aber, wie bekannt, dann nach Ostbevern, also quasi nach nebenan“, lacht Dr. Philipp Wagner. Der Kurator des Allwetterzoos sitzt im Beirat von CC und sieht sein berufliches wie privates Engagement als persönliche Berufung. „Viele Arten werden nur überleben, wenn wir es schaffen, rechtzeitig stabile und gesunde Bestände in Menschobhut aufzubauen. Diese Aufgabe können Zoos alleine nicht stemmen. Deswegen ist so wichtig und richtig, dass mit Citizen Conservation der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Institutionen und privaten Züchtern ausgebaut worden ist.“ Gerade Projekte wie das des Gymnasiums Johanneum würden hier eine Schlüsselrolle einnehmen. „Erkenntnisse zur Lebensweise der Tiere sind der Schlüssel für das Verständnis von Ökosystemen und zur Durchführung effektiver Artenschutzmaßnahmen. Und wenn dieses Wissen nicht nur früh, sondern auch praxisnah, Kindern und Jugendlichen nähergebracht werden kann, dann ist das toll. Nur gemeinsam schaffen wir es, dass das durch uns Menschen verursachte große Artensterben gestoppt werden kann.“ (Autor: Sebastian Rohling)

Zooschule des Allwetterzoos