Neue Art im Allwetterzoo Münster steht für eine gigantische Herausforderung

Hippocampus zoastrea, so der zoologische Name, ist einer der kleineren Vertreter aus dieser Familie.  Das Verbreitungsgebiet der Art erstreckt sich im Westatlantik von den Bermudainseln und den Bahamas über die gesamte Küste Floridas und die Golfküste der USA und Mexikos bis zu den Küstengebieten östlich von Cancún. Aktuell leben die Tiere noch hinter den Kulissen und sind für die Besucher deswegen noch nicht zu erleben.

 

Auch wenn die kleinen Knochentiere noch nicht offiziell zu erleben sind, haben sie bereits für viel Freude gesorgt – zumindest im Team des Allwetterzoos. Denn kaum eingezogen, gibt es schon Nachwuchs.

 

PM Nachwuchs bei den Zwerg-Seepferdchen

Eine ganze Art ist bedroht

Seepferdchen im Allgemeinen haben nur sehr wenige Fressfeinde, da sie mit ihren Knochenplatten, Stacheln und vielen Gräten recht schwer zu verzehren sind. Doch sieht ihre Zukunft alles andere als gut aus. Sie sind aber durch Übernutzung und Zerstörung ihrer Lebensräume gefährdet

 

Die IUCN (Internationale Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen) führt auf ihrer Roten Liste der gefährdeten Arten sämtliche Arten von Seepferden. Bei vielen mangelt es allerdings an Daten – sie sind Data deficient. Auch beide im Allwetterzoo Münster zu erlebenden Seepferdchen-Arten, weltweit soll es bis zu 80 verschiedene Arten geben, zählen zu den bedrohten Arten. „Zumindest müssen wir davon ausgehen. So ist das Zwergseepferdchen von IUCN Red List derzeit noch als Data deficient (ungenügende Datengrundlage) gelistet. Aber Überfischung, die fortschreitende Zerstörung der Lebensräume, der Klimawandel und Wasserverschmutzung so wie die Versauerung der Meere bedrohen akut ihre Lebensräume“, so Wagner. „Diese Wissenslücken sind bei einer Art, die so ausgebeutet wird, besonders problematisch.“ Nach Schätzungen von Project Seahorse werden durch kommerzielle Fischerei jährlich bis zu 76 Millionen Seepferdchen gefangen.

Im Allwetterzoo leben 2 Arten

Langschwänzige Seepferdchen

Zwerg-Seepferdchen

Bei dem Langschwänzigen Seepferdchen ist es vor allem die Überfischung und die Zerstörung ihrer natürlichen Lebensräume, die die Bestände dieser markanten Tiere dramatisch reduzieren. Sie leben vorwiegend in Seegras- und Tangwiesen in Festlandnähe. Zwischen den Algen finden sie Halt auf der Suche nach Plankton. Jahr für Jahr sterben über 20 Millionen Exemplare als Beifang in den Netzen der Shrimp-Industrie oder werden als Delikatesse in asiatischen Ländern gefangen. Besonders die Garnelen-Fischerei mit Grundschleppnetzen rasiert ganze Populationen der kleinen Tierchen als Beifang vom Meeresboden. Die Tiere, die Tortur des Fangs überleben, landen im illegalen Aquarienhandel.

Multiple Bedrohungen und Herausforderungen

Die größte Gefahr für die Zwergseepferdchen hingegen ist der Klimawandel. „Genauer gesagt, die damit einhergehenden drastische Erhöhung der Wassertemperaturen“, holt der Biologe aus. Denn während viele Menschen sich erstmal über wärmeres Wasser bei ihrem nächsten Badeurlaub freuen, haben neue Rekordtemperaturen in den Weltmeeren, wie zuletzt in diesem Jahr, katastrophale Auswirkungen auf den Lebensraum der kleinen Seepferdchen, die Korallenriffe. „In den vergangenen Jahrzehnten hat die Erde fast die Hälfte der Korallenriffe weltweit verloren. Experten befürchten, dass bis 2050 voraussichtlich mehr als 90 Prozent aller Riffe verloren sind – wenn nicht gehandelt wird“, teilt unter anderem die NGO „Coral Vita“ mit. Sie und viele andere NGOs, wie unter anderem Coral Gardeners oder Fragments of Hope, engagieren sich für den Schutz von Korallenriffen und betreiben große Anstrengungen bei der sogenannten „Wiederaufforstung“, es handelt sich hier um Tiere und nicht um Pflanzen, von Korallenriffen. Aber sie sind darauf angewiesen, dass die Meere sich nicht weiter erwärmen und versauern. Unteranderem deswegen ist der November 2023 erstmals zum Coral Bleaching Awareness Month“ ernannt worden.

Die Meere erwärmen sich immer weiter

Für alle Korallen ist die Erwärmung der Ozeane durch den Klimawandel eine sehr große Gefahr. So darf das Wasser nicht zu warm werden, ansonsten stockt die für sie lebenswichtige Symbiose mit Algen, den Zooxanthellen. Schon ein geringer Anstieg der Wassertemperatur im Sommer stört das Zusammenleben von Koralle und Alge massiv. Die Temperaturerhöhung löst Stress aus – die Polypen stoßen ihre für ihr eigenes Überleben auf Dauer unentbehrlichen Partner ab. Sie verlieren dann ihre wunderschöne Farbe und es kommt zur gefürchteten „Korallenbleiche“.

Nach Erhebung des Weltklimarats IPCC haben die Weltmeere in den vergangenen Jahrzehnten 93 Prozent der Wärmeenergie aufgenommen, die durch den menschengemachten Treibhauseffekt zusätzlich in die Erdatmosphäre gelangt. Anfang Mai 2023 hat die Universität Maine Messdaten veröffentlicht, nach denen sich die Weltmeere auf eine neue Rekordtemperatur erhitzt haben: 21,1 Grad Celsius waren das Anfang April 2023 im globalen Durchschnitt.

Es droht eine Katastrophe

data.marine.copernicus.eu

Dass das nicht ohne Folgen bleibt, ist gut erforscht. Der Weltklimarat IPCC erwartet beispielsweise, dass bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad zwischen 70 bis 90 Prozent aller Korallen weltweit abgestorben sind. Bei 2 Grad Temperaturanstieg sind gar 99 Prozent vernichtet, auch die Kaltwasserkorallen. Korallenlose Meere hätten weitreichende Folgen für das Ökosystem. Viele maritime Nahrungsketten beginnen hier, ein Massensterben droht, das direkte Auswirkungen auch auf die Menschheit haben wird: Für jeden zehnten Menschen ist Fisch die wichtigste Proteinquelle. So bedecken Korallen weniger als ein Prozent des Meeresbodens, sind aber Lebensraum von mehr als einer Million Arten und einem Viertel der globalen Fischpopulation.

 

Wie weit die Erwärmung schon fortgeschritten ist, kann jeder selbst überprüfen. Dafür gibt es eine interaktive Karte. Die Datengrundlagen kommen z.B. vom europäischen Copernicus-System zur Erd- und Ozeanüberwachung. Die Satelliten messen aus dem Erdorbit zentimetergenau die Meereshöhe, Meerestemperaturen, Planktonblüten (über den Chlorophyllgehalt) und viele weitere Parameter. Offenen Zugriff zu den Daten gibt es hier, einzelne Karten und Modelle zu einzelnen Parametern sind z B hier.

Ein Unglück kommt selten allein

Neben Überdüngung, Bodenerosion, Pestizide und Gifte sowie mechanische Zerstörung durch Rohstoffabbau und Fischnetze ist das Problem Plastikmüll in den Ozeanen auch eines, dass die Korallenriffe betrifft. Bild: AWI Graphic/ Martin Künsting

Korallenriffe haben aber nicht nur mit steigenden Wassertemperaturen zu kämpfen. Überdüngung, Bodenerosion, Pestizide und Gifte sowie mechanische Zerstörung durch Rohstoffabbau und Fischnetze reduzieren die Bestände. Zudem werden Korallenriffe durch das „CO2“-Problem in ihrer gesamten Existenz in Frage gestellt.

Die Meere werden immer saurer. Das hängt mit der zunehmenden Aufnahme von Kohlendioxid zusammen. Das ist insbesondere für Steinkorallen eine fatale Entwicklung, da sie in einem saureren Gewässer keine Kalkskelette bilden können. Das Alfred-Wegener-Institut schreibt in diesem Zusammenhang gar vom bösen Zwilling der Klimaerwärmung“.

Einzeln betrachtet scheinen andere Umweltfaktoren wie wärmeres Wasser oder Sauerstoffmangel einen größeren Einfluss auf Tiere und Pflanzen im Meer zu haben. Allerdings werden sich diese Veränderungen zukünftig alle gleichzeitig zeigen – und sich auch gegenseitig verstärken.

Kommen dann noch Faktoren wie das Plastik im Meer, Überfischung oder Überdüngung dazu, kann die Ozeanversauerung in Kombination ganze Ökosysteme verändern – und Lebensräume zerstören.

 

Neben der Ozeanversauerung zwingen auch steigende Wassertemperaturen und sinkende Sauerstoffgehalte die Meeresbewohner dazu, sich an neue Lebensbedingungen anzupassen. Ein tödliches Trio. Denn wirken die drei Faktoren gemeinsam, reagieren die Lebewesen im Ozean besonders empfindlich. Zudem kommen dann noch Faktoren wie das Plastik im Meer, Überfischung oder Überdüngung dazu.

Zwerg-Seepferdchen im Allwetterzoo Münster

Sauer – und gar nicht lustig

1000 Milliarden US Dollar werden allein die Folgen der Ozeanversauerung für Korallen und Muscheln kosten. Das haben Wissenschaftler mit Hilfe von Prognosen ausgerechnet, so unter anderem Angestellte des AWI. Schon bald Tourismus und Fischerei die Auswirkungen spüren, wenn Korallenriffe schwinden und Fischbestände sich verändern. Deshalb steht die Ozeanversauerung „im Fokus“ vieler Wissenschaftler, nicht nur am Alfred-Wegener-Institut.

Wer mehr über die komplexen Herausforderungen der Versauerung der Meere erfahren will, für diejenigen hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Broschüre mit dem Titel „Ozeanversauerung – Das andere Kohlendioxid-Problem“ - HIER GEHT ES ZUM PDF - veröffentlicht.

Last but not least - Handel trotz Verbote

Eine Aufnahme aus der Zollausstellung im ArtenschutzCampus des Allwetterzoo Münsters.

Mitarbeiter des Project Seahorse schätzen, dass jedes Jahr wenigstens 24 Millionen getrocknete Seepferdchen in den Welthandel kommen. In Asien finden sie Verwendung in der traditionellen Medizin. „Da sollen sie gegen alles Mögliche helfen. Getrocknete Seepferdchen sollen die Manneskraft steigern, Entzündungen entgegenwirken und alle möglichen Krankheiten heilen – vom Asthma bis zur Inkontinenz“, so Dr. Philipp Wagner weiter. „Andernorts finden getrocknete Seepferdchen Verwendung als beliebte Urlaubs-Souvenirs.“

 

Obwohl der internationale Handel seit 2004 durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) verboten ist, erzielen auch heute noch getrocknete Seepferdchen auf den Märkten in Bangkok oder Hongkong einen Kilopreis von 600 bis 3000 US-Dollar. Und auch in Westafrika boomt der internationale Handel mit Seepferdchen, wie unter anderem die Deutsche Welle berichtet. Demnach werden auch dort die Tiere getrocknet, gemahlen und in Suppen, Tees und Reiswein verzehrt. Zusätzlich geschwächt werden die globalen Bestände durch Zerstörung und Vergiftung ihrer Lebensräume wie Mangrovenwälder oder Seegrasfelder.

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Foto: Stephanie Jessen | ACCB

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