Zootier des Jahres 2021: Das Krokodil

Gustavo Sosa from the captive breeding facility in Zapata Swamp cradles a young Cuban Crocodile under the water. Foto: R. Moore

Als institutionelles Mitglied der Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP) freut sich der Allwetterzoo Münster über die Wahl des Zootiers des Jahres 2021: Das Krokodil. „Augenscheinlich mag es so aussehen, dass wir als Allwetterzoo, der keine Krokodile oder Alligatoren hat, fehl am Platz sind“, erklärt Philipp Wagner. „Doch wir haben eine ganze Reihe an Berührungspunkten mit diesen ganz besonderen Tieren.“

Krokodile teilten sich ihren Lebensraum bereits mit den Dinosauriern. Seit mehr als 200 Millionen Jahren bevölkern die perfekten Jäger nahezu unverändert unseren Planeten - bis der Mensch auftauchte. Nun stehen die Nützlinge mit dem Imageproblem kurz vor dem Untergang, weswegen die ZGAP das Krokodil zum „Zootier des Jahres 2021“ gekürt hat. Bei der diesjährigen Kampagne sollen mit den gesammelten Geldern vorrangig drei Projekte unterstützt werden, die sich um den Erhalt der Kuba-, Siam- und Philippinenkrokodile kümmern. 

„Krokodile sind keine schwimmenden Handtaschen, sondern haben eine immens wichtige Aufgabe in ihren Ökosystemen. Es ist Zeit zu handeln, denn ohne akute Schutzmaßnahmen werden einige Krokodilarten bald gänzlich von unserem Planeten verschwinden“,

sagt Dr. Sven Hammer, 1. stellvertretender Vorsitzender der ZGAP.

Die Menschen dringen bis heute immer weiter in den Lebensraum der Krokodile ein und töten sie, weil sie die Tiere als Gefahr für sich und ihre Haustiere ansehen. Ihr Fleisch und die Eier werden verzehrt, die Moschusdrüsen der Krokodile werden zur Parfümherstellung genutzt und weil Krokodile Fische fressen, gelten sie als darüber hinaus als Konkurrenten der Fischer.

Zusätzlich dezimiert der Lebensraumverlust, etwa durch den Bau von Dämmen, sowie die zunehmende Wasserverschmutzung die Krokodilbestände. An den Rand der Ausrottung brachte die Krokodile jedoch insbesondere die wachsende Nachfrage nach ihrer Haut, weil die Modeindustrie anfing, daraus Handtaschen, Schuhe, Koffer, Gürtel und andere Waren herzustellen.

Viele Krokodilarten gelten daher als gefährdet und sechs Arten werden von der Weltnaturschutzunion IUCN bereits als „von der Ausrottung bedroht“ eingestuft.

Besondere Situtation in Kambodscha

Der Allwetterzoo ist Premiumpartner bei der Zootier des Jahres Kampagne, fördert sie also mit 5000 Euro. Und auch wenn derzeit kein Krokodil im Allwetterzoo lebt, so gibt es zumindest im Artenschutzzentrum ACCB zahlreiche, hoch aktuelle Berührungspunkte. „Das Siam Krokodil kommt in Kambodscha nur noch an 35 Orten in 21 Flusssystemen vor. In weiten Teilen des Landes ist es bereits ausgerottet. Die größte Bedrohung ist vor allem der illegale Handel mit den Tieren“, weiß Dr. Philipp Wagner. Als Kurator für Forschung- und Artenschutz ist er in Münster auch für die Geschicke im fernen Kambodscha zuständig. „Wir im ACCB haben es immer wieder Mal mit diesen urzeitlichen Echsen zu tun. Mal aktiv, häufiger aber passiv, da wir es in der Regel mit anderen Tieren zu tun haben, die aber wiederum sich den Lebensraum mit den Krokodilen teilen.“

Ein Siam-Krokodil. Foto: T. Ziegler

In Kambodscha ist der Bestand der Panzerechsen direkt durch den Menschen bedroht. „Vor allem Eier, aber auch adulte, also erwachsene Tiere, werden gesammelt und an Farmen verkauft. Dazu kommt Lebensraumverlust, der in Kambodscha durch den Bau von Staudämmen zunimmt und die Flusssysteme nachhaltig zum negativen beeinflusst“, so Wagner. Dabei würden in der Regel genau die Bereiche zerstört, die der Fortpflanzung dienen. Auch würden mit den Dämmen auch vermehr Menschen, nicht nur während der Bauphase, immer tiefer in die Natur vorstoßen.

Die Situation vor Ort ist kompliziert. „Die großen Krokodilfarmen am Tonlé Sap sind zwar auf der einen Seite eine Chance, da sie Millionen von Tieren züchten die für Auswilderungen in Frage kommen könnten“, holt der der Münsteraner Wissenschaftler aus. Aber oftmals würde es sich über hybride Tiere und immer seltener um reinrassige Siamkrokodile handeln, die nicht in die Natur gelangen dürften. Sie tun es am Ende aber trotzdem. Und das ganz ohne ihr aktives Zutun oder Ausbruchversuche.

Das ACCB setzt sich nicht nur für Krokodile, sondern auch für Wasserschlangen ein. Diese werden in der Natur gefangen und auf Krokodilfarmen verfüttert.  Foto: ACCB

„Farmkrokodile werden für den Merit Release verkauft. Dabei handelt es sich um eine buddhistische Zeremonie, bei der Tiere für das Seelenheil in die Natur entlassen werden“, erklärt Philipp Wagner. „Und viel zu oft handelt es sich dabei um Hybride.“ Hier setzt dann unter anderem auch die Arbeit des ACCB an. Einerseits mit der Aufklärungsarbeit zusammen mit den Mönchen, aber auch, da immer häufiger Tiere in der Auffangstation landen. Zudem sind dann da auch noch die Krokodilfarmen selbst. „Sie sind ein großes Problem. Die Farmtiere werden noch immer mit Wasserschlangen aus dem Tonlé Sap, ein Gewässer, reich an Biodiversität, gefüttert. Es werden durch diese Farmen also gleich mehrere Arten auf einmal bedroht, beziehungswiese eine auf der Welt einmalige

Artenzusammensetzung bedroht“, so der Münsteraner Kurator, der sich sicher ist, dass die Kampagne zum Zootier des Jahres 2021 diese Missstände besser in die Öffentlichkeit bringt.

Die Rolle der Krokodile im Ökosystem

Krokodile haben, wie viele andere Beutegreifer auch, ein Imageproblem. Sie werden oft als menschenfressende „Monster“ angesehen und schafften es so als Darsteller in den einen oder anderen Hollywoodfilm. Tatsächlich übernehmen Krokodile aber eine äußerst wichtige Aufgabe für ihre Umwelt: Da sie unter anderem Aas fressen, reinigen sie die Gewässer und anliegende Landflächen von Kadavern. Wenn sie jagen, haben sie es besonders auf schwache, verletzte und kranke Tiere abgesehen. Sie regulieren zudem die Bestände räuberischer Welse oder Piranhas, die sich ihrerseits von für den Menschen bedeutenden Speisefischen ernähren.

Ein Siam-Krokodil. Foto: H. Sumanbowo / BKSDA Kamlimantan Timur

Entfernt man Krokodile aus diesem Kreislauf, gerät das ökologische Gleichgewicht aus den Fugen. Durch den Ausfall der großen Jäger nehmen die Populationen der Raubfische zu und viele andere Organismen wie Bakterien, Algen, Krebstiere, Weichtiere oder Wasserinsekten verschwinden, weil sie auf die Hinterlassenschaften der Krokodile spezialisiert sind.

„Die bereits jetzt erkennbaren, negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme in den Heimatländern der Krokodile machen ihren Schutz daher besonders wichtig“, sagt Viktoria Michel, Projektkoordinatorin der „Zootier des Jahres“- Kampagne, „weshalb sich die ZGAP dazu entschied, das Krokodil zum „Zootier des Jahres“ 2021 zu küren.“

Schutzprojekte

Konkret werden dieses Jahr drei Schutzprojekt mit den Kampagnengeldern unterstützt.

In der Natur leben nur noch knapp 100 Philippinenkrokodile, daher wird auf den Philippinen der Bau neuer Auswilderungsanlagen für Krokodile und einer weitere Nachzuchtstation direkt in dem Auswilderungsgebiet finanziert. Zudem soll ein Zentrum für Umweltbildung, sowohl für Einheimische als auch für Touristen, entstehen und ein Konzept für nachhaltigen Tourismus in der Region umgesetzt werden.

In den Süßwassersümpfen Kubas haben Kubakrokodile ihr kleines Verbreitungsgebiet. Die Nachzuchtbemühungen der seltenen Krokodile verliefen bisher sehr erfolgreich, weshalb nun wieder Kubakrokodile unter kontrollierten Bedingungen ausgewildert werden. Um die Biologie der Tiere weiter zu erforschen und sie vor illegaler Wilderei zu schützen, erhalten einige der Krokodile GPS-Sender.

Auch Siamkrokodile existieren nur noch in kleinen Populationen in Kambodscha, Laos und Thailand. Derzeit wird ein weiteres Restvorkommen auf Borneo vermutet, was nun mittels Umwelt-DNA aufgedeckt werden soll. Nur so können noch rechtzeitig Schutzmaßnahmen für die bedrohten Krokodile eingeleitet werden.      

 

Kubakrokodil  Philippinenkrokodil  Siamkrokodil                              

Zur „Zootier des Jahres“- Kampagne

Die „Zootier des Jahres“ Kampagne wurde 2016 mit dem Ziel ins Leben gerufen, sich für gefährdete Tierarten einzusetzen, deren Bedrohung bisher nicht oder kaum im Fokus der Öffentlichkeit steht. So werden für den Titel „Zootier des Jahres“ Tierarten ausgewählt, die teils kurz vor der Ausrottung stehen, jedoch bisher keine oder nur sehr wenig Lobby haben und auch oft nicht von "großen Naturschutzorganisationen" beachtet werden.

Nach erfolgreicher Aufzucht werden Philippinenkrokodile ausgewildert. Foto: CPPI

Vergangenes Jahr konnten etwa durch die Kampagnengelder viele nachhaltige Schutzmaßnahmen für Beos erfolgreich umgesetzt werden.

Um in Form von Öffentlichkeitsarbeit und konkreten Artenschutzmaßnahmen möglichst viel für die im Fokus stehende Tierart bewirken zu können, bündeln vier im Artenschutz aktive Partner ihre Kräfte. Mit der federführenden Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz e.V. (ZGAP), arbeiten die Einrichtungen und Mitglieder der Deutschen Tierpark-Gesellschaft e.V. (DTG), des Verbandes der Zoologischen Gärten e.V. (VdZ) und der Gemeinschaft der Zooförderer e.V. (GdZ) eng zusammen.

Zoologische Gärten als treibende Kraft im Artenschutz

Zoologische Gärten halten und züchten gefährdete Tierarten und eröffnen ihren Besuchern interessante Einblicke in biologische und ökologische Zusammenhänge. Auch Philippinenkrokodile werden in europäischen Zoos nachgezüchtet. Das Zuchtbuch dafür wird im Zoologischen Garten Köln geführt. Die Philippinenkrokodile aus europäischen Zoos sind für die Population auf den Philippinen extrem wichtig, denn die europäischen Tiere wurden im Gegensatz zu vielen Krokodilen auf philippinischen Krokodilfarmen nicht mit anderen Krokodilarten gekreuzt und sind daher besonders für die Auswilderung geeignet.

Bereits Mitte Dezember 2020 durften „Hulky“ und „Dodong“, zwei Philippinenkrokodilnachzuchten aus dem Kölner Zoo, die Reise in ihr ursprüngliches Heimatland antreten. Nach der Eingewöhnung werden die beiden Nachzuchten ihren Beitrag dazu leisten eine reinerbige Philippinenkrokodilpopulation zu gründen, mit dem Ziel der Auswilderung im Naturschutzgebiet.

Auswilderung von Kubakrokodilen