Gänsegeier geht in Auswilderungsstation

Neuauflage einer erfolgreichen Zusammenarbeit

Gegen 5 Uhr in der Früh ging die Reise für den Gänsegeier los.

Wenn der Gänsegeier seine Transportbox verlassen wird, beginnt nicht nur sprichwörtlich ein neuer Lebensabschnitt für den jungen Greifvogel. Denn bereits in ein paar Monaten wird der im Allwetterzoo Münster geschlüpfte weibliche Gänsegeier auf sich gestellt sein und sie muss sich ihr Fressen selbst suchen. Dafür wird sie ihre imposanten Flügel mit einer Spannweite von rund 260 Zentimeter ausbreiten und über dem bulgarischen Balkangebirge ihre Runden drehen.

 

Die Klima- und Artenschutzeinrichtung an Münsters Aasee ist schon seit vielen Jahren erfolgreicher Partner, wenn es um die Auswilderung von Geiern geht. Johanna Reuken freut sich, dass es dieses Projekt gibt. „Die Wiederansiedlung im Zoo geborener Tiere ist immer wieder ein besonderes Highlight! Wir bringen in diesem Jahr einen weiteren Gänsegeier in ein Gebiet zurück, in dem diese Art im vergangenen Jahrhundert von uns Menschen ausgerottet wurde“, so die Kuratorin des Allwetterzoos, die den Transport des Gänsegeiers organisiert und begleitet hat.

„Im Zoo geborene Tiere in die Auswilderung zu überführen, ist mit das Schönste was wir als Zoo machen können – und leider selten realisierbar ist.“ So sei es aufgrund der Lebensraumzerstörung und des Klimawandels und den damit jeweils einhergehenden Herausforderungen für Lebewesen oftmals  gar nicht so einfach zu realisieren, dass Tiere oder Pflanzen in ihrem ursprünglichen Lebensraum wieder angesiedelt werden. „Umso mehr freuen wir uns, dass nun schon mehrere Gänsegeier aus Münster ihre Kreise über Bulgarien ziehen.“

Nicht das erste Auswilderungsprojekt

Bereits über ein Dutzend Vögel hat der Allwetterzoo seit 2011 erfolgreich an Auswilderungsprojekte abgegeben. Der Junggeier wurde am Mittwoch in eine große, für den Transport per Flugzeug geeignete Box gesetzt, und mit einem Kleintrans­porter von Münster zum Frankfurter Flughafen gefahren. Mit den notwendigen behördlichen Genehmigungen ausgestattet, ging es von dort per Flieger via Sofia nach Stara Zagora in die Auswilderungsstation der Naturschutzorganisationen Green Balkans. Dort gewöhnt sich der Gänsegeier zunächst in einer Voliere an seine neue Heimat. Ob das Tier sogar mit einem Sender ausgestattet in die Natur entlassen wird, steht noch nicht fest. Es gäbe aber auch noch eine andere Kontrollmöglichkeit für das Team von Green Balkan, um die Entwicklung der imposanten Vögel zu überprüfen. „Die Tiere werden auch weiterhin im Rahmen eines wissenschaftlich begleiteten Projektes an einem Futterplatz versorgt“, erklärt die Kuratorin. „Unsere Gänsegeier-Dame wird immer an ihrer Markierung, angebracht auf einer ihrer Schwingen, eindeutig zu erkennen und zuzuordnen sein.“

Vor der Reise in der Quarantänestation.

In dieser Box reist der Geier nach Bulgarien.

Letzer Checkup vor der Reise.

Interaktive Ausstellung „Geier-Restau­rant“

Im Jahr 2015 wurde das erste Geierjungtier von ausgewilderten Vögeln, auch aus Münster, aufgezogen und auch in den folgenden Jahren ging der Bruterfolg weiter. Geier-Nachzuchten aus dem Allwetterzoo Münster werden seit 2011 erfolgreich in dem bulgarischen Projekt ausgewildert. „Wir hatten ja auch noch eine erfolgreiche Aufzucht eines Mönchsgeiers“, freut sich Johanna Reuken über den anderen „großen Vogel“, der ebenfalls schon hinter den Kulissen in Quarantäne lebt. Dieses Tier geht allerdings nicht in eine Auswilderungsprojekt. „Es ist immer auch wichtig, eine genetisch stabile Zoopopulation zu haben, aus der dann die Tiere in die Auswilderung gehen. Zu groß ist die Gefahr, dass durch illegale Jagd und Giftköder, die Folgen des Klimawandels oder Epidemien wie die Vogelgrippe eine Population im Ursprungsgebiet wegstirbt und wir dann vor dem Nichts stehen.“

Seit März 2016 informiert der Allwetterzoo seine Besucher in einer interaktiven Ausstellung „Geier-Restau­rant“ zum Thema Geier und Geierschutz. Die Auswilderung, der im Zoo geschlüpften Geier-Jungtiere in das Projekt in Bulgarien wird dort ebenso thematisiert wie die Artenschutzarbeit des ACCBs in Kambodscha (Angkor Centre for Conservation of Biodiversity), wo ein Geierrestaurant betrieben wird, das mittlerweile von zahlreichen Vögeln besucht wird.

Das Besondere an der Ausstellung ist die Nähe zu den im Allwetterzoo lebenden Mönchs- und Gänsegeiern. Diese kann der Besucher nämlich durch Fenster im Ausstellungsraum beobachten, da sie in einer Voliere direkt neben dem „Geier-Restaurant“ untergebracht sind.

Heute brüten die meisten Gänsegeier Europas in Spanien. Doch auch dort wird das Leben für die Geier schwerer, denn aufgrund der tierseuchenhygienischen EU-Verordnungen dürfen Tierschützer keine Kadaver mehr für die Vögel auslegen.

Geier in der Voliere von Green Balkans.

Ein Geier wird vor der Auswilderung markiert.

Ein Projekt mit Geschichte

Das Geier-Projekt in Bulgarien startete erstmals im Jahr 2010. Es wird in Zusammenarbeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt und der Stiftung zum Schutz der Geier gemeinsam mit den bulgarischen Naturschutzorganisationen Green Balkans und Fund for Wild Flora and Fauna organisiert und finanziert. (Autor: Sebastian Rohling)