Eine neue Spinnenart zieht ein

Die Deserta-Teranel baut kein Spinnennetz, sie stellt ihrer Beute aktiv nach.

Es gibt nicht wenige Menschen, die würden alle Spinnen am liebsten in die Wüste schicken. Beim neusten Mitglied der tierischen Mitbewohner des Allwetterzoo Münsters wäre das aber ungefähr so, als würde jemand Eulen nach Athen tragen. Denn die Deserta-Tarantel (Hogna ingens) lebt bereits in einem sehr trockenen, aber auch sehr begrenzten Lebensraum. So kommt diese wahrscheinlich größten Wolfspinne der Welt nur auf einer Insel vor Madeira vor. „Ich freue mich wie ein kleines Kind darüber, dass wir diese Spinne jetzt haben, denn als junger Student habe ich

während meiner ersten Forschungsreise den Lebensraum oft besucht und konnte die Spinne in der Natur bewundern“, wie der Kurator für Forschung und Artenschutz im Allwetterzoo, Dr. Philipp Wagner, erzählt. „Für die Spinne wird das kleine Verbreitungsgebiet aber zum Problem. Durch verschiedene Umstände, alle menschgemacht, ist diese Art in zwischen leider stark gefährdet. Ihr Bestand ist auf wenige tausend Individuen zusammengebrochen. Das mag nach vielen Tieren für eine kleine Insel klingen – das ist aber ein Trugschluss. Wenn wir nichts machen, dann wird diese Art aussterben.“

Die Deserta-Tarantel erreicht bis zu vier Zentimeter Körperlänge und zwölf Zentimeter Beinspannweite. Sie besitzt eine auffällige schwarz-weiße Zeichnung und hat selbst für eine Wolfsspinne ein verhältnismäßig mächtiges Mundwerkzeug. In ihrem natürlichen Lebensraum gehörte sie, bevor der Mensch und eingeschleppte Tiere ankamen, zu den Spitzenprädatoren auf der Insel. „Hier wäre es aber erwähnenswert zu sagen, dass auf den Ilhas Desertas, so der Name der Inselgruppe, ursprünglich keine Säugetiere vorkamen“, ergänzt Wagner. Wie der größte Teil der Wolfspinnen (Lycosidae) jagt auch diese Art ohne Netz. „Potenzielle Beute wird mit den Vorderbeinen mithilfe einer Raffbewegung zu den Giftklauen geführt und gebissen. Die Art erbeutet hauptsächlich Arthropoden, also Insekten, Tausendfüßer, Krebstiere sowie andere Spinnentiere. Es ist aber auch schon beobachtet worden, wie adulte Tiere auch junge Individuen der Madeira-Eidechse (Teira dugesii mauli) erbeutet haben.“

Allwetterzoo Münster züchtet die Spinnen

Seit wenigen Jahren gibt es vielfältige Bemühungen, um diese Art vor dem Aussterben zu retten. Zum einen bemühen sich Mitarbeitende des zuständigen Nationalparks um den Erhalt des nur wenige Hektar großen Verbreitungsgebietes der Spinne, zum anderen wurde über den Zoo in Bristol (England) eine Erhaltungszucht für die Art aufgebaut. „Bei einer so kleinen Population muss man einkalkulieren, dass die in situ-Maßnahmen im schlimmsten Fall nicht schnell genug ausreichen, um die Art zu erhalten. Der Aufbau einer Reservepopulation war insofern eine wichtige ex situ-Zusatzmaßnahme“, sagt Wagner. „Und gerade in diesem Fall ist der Schutz des Lebensraumes auch komplex. Nachdem man die auf der Insel eingeschleppten Kaninchen erfolgreich bekämpft hatte, breitete sich eine ebenfalls eingeschleppte Gras-Art aus und droht nun den eher kargen Lebensraum der Spinne zu überwachsen. Damit ist das Verbreitungsgebiet schon von 80 auf 15 Hektar geschrumpft.“

In Deutschland gibt es mittlerweile drei Zoos, dies sich an der Arterhaltung der Deserta-Tarantel beteiligen. Den Anfang hatte im März 2019 der Kölner Zoo gemacht, der seitdem auch am Zuchtbuch (EEP) teilnimmt. „Die ersten Nachtzuchtbemühungen waren bei den Kollegen sehr erfolgreich. Aus diesem Grund freuen wir uns, neben der Wilhelma in Stuttgart, diese Tiere nicht nur in der Schau präsentieren zu können, sondern wir uns mit den insgesamt 50 Exemplaren hinter den Kulissen auch um die Nachzucht dieser Spinnenart bemühen und so unseren Beitrag zum ex situ-Artenschutz beitragen.“